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Was genau sind eigentlich "innere Hernien"?

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Was genau sind eigentlich "innere Hernien"?
von Dr. med. Diana Mattiello, Leitende Ärztin Chirurgische Klinik, Spital Limmattal
csm diana mattiello spital limmattal ac4b01e203  Innere Hernien Zeichnung 1 Innere Hernien Zeichnung 2

Der Begriff „Hernien“ wird in vielen medizinischen Gebieten gebraucht. So spricht man etwa von Diskushernie (Bandscheibenvorfall), Muskelhernie, Inguinalhernie (Leistenbruch), Zwerchfellhernie und Narbenhernie.

Gemäss Wikipedia ist eine Hernie so definiert: Eine Hernie (Aussprache: [ ˈhɛʁni̯ə]; von lateinisch hernia, ‚Bruch‘, von griech. ἔρνος érnos „Knospe, Spross“), deutsch Bruch, ist der Austritt („Durchbruch“, „Durchbrechen“) von Eingeweiden aus der Bauchhöhle (Eingeweidebruch) durch eine angeborene oder erworbene Lücke (Bruchpforte) in den tragenden oder begrenzenden Gewebeschichten.

Deshalb spricht man umgangssprachlich auch von einem Bruch, was jedoch nicht mit einem Knochenbruch zu verwechseln ist. Vielmehr wird hier der Umstand beschrieben, dass Fett- und Muskelgewebe oder Darm durch eine Lücke in der Bauchdecke oder einem anderen Gewebe hindurchbrechen oder eben „hernieren“. Dabei kann in entspanntem Zustand dieses „hernierte“ Gewebe durch die Lücke zurückgedrückt und die „Bruchlücke“ getastet werden.

Nun gibt es aber nebst diesen hauptsächlich im Gewebe des Bewegungsapparats entstandenen Bruchlücken auch innere Hernien, was für den Laien noch schwerer zu verstehen ist.

Was bricht denn bei der inneren Hernie wo durch? Was sind das für Lücken und wieso geschieht dies?

Wenn man sich mit der bariatrischen Chirurgie (Adipositaschirurgie) beschäftigt, kommt man um das Thema der inneren Hernie nicht herum. Durch die veränderte Anatomie bei der Anlage eines Magenbypasses entstehen künstlich hergestellte Lücken. Diese Lücken entsprechen den sogenannten „Bruchlücken“, ohne dass hier in diesem Fall eine Lücke in der Bauchdecke oder im Muskelgewebe entstanden wäre: Bei der Durchführung eines Magenbypasses durchtrennt man den Dünndarm und zieht ihn über den quer liegenden Dickdarm hoch zum Magen. Dort wird dann die Naht zwischen Magen und Dünndarm (Gastroenterostomie) hergestellt. Da der Dünndarm mobil ist, entsteht nun zwischen diesem hochgezogenen Dünndarm und dem dahinter liegenden Dickdarm eine Lücke. Diese Lücke ist die sogenannte „Petersonlücke“ (siehe Zeichnung 1).

Der durchtrennte Dünndarm wird weiter unten wieder an den restlichen Dünndarm angenäht (Fusspunktanastomose), womit eine weitere Lücke entsteht. Diese „intermesenteriale Lücke“ ist noch schwieriger darzustellen, einen Versuch zeigt Zeichnung 2.

Lässt man diese Lücken offen, so kann sich durch die stetige Bewegung des Dünndarms (Darmperistaltik) dieser durch die Lücke hindurchbewegen (hernieren), was zu krampfartigen Schmerzen, Darmverschluss und im schlimmsten Fall zu einem Absterben des Darms bei verminderter Durchblutung führen kann. Das Auftreten bzw. die Inzidenz (Häufigkeit) für eine innere Hernie liegt dabei zwischen 1 - 3 %.1 2

Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass in knapp 90 % der Fälle der Darm durch die Petersonlücke herniert und dabei häufiger von links nach rechts. Dies rührt unter anderem daher, dass man diese Lücke aufgrund des dahinterliegenden Dickdarms nicht komplett verschliessen kann.

Die mesenterialen Lücken sind oft vollständig zu, da sich ein kompletter Verschluss bei einer linksseitigen Anlage der Fusspunktanastomose technisch gut machen lässt.

Aus diesen Gründen verschliessen wir bei der Durchführung eines Magenbypasses sämtliche Lücken mit einem dauerhaft bleibenden Faden, um das Risiko einer inneren Hernie zu minimieren.3 Da wir jedoch dabei das Gekröse vom Darm nähen (Mesenterium des Dünndarms), welches nebst den Gefässen viel Fettgewebe enthält, können diese Nähte bei grossem Gewichtsverlust und somit auch bei der Abnahme des Fetts im Bauch wieder aufgehen.

Hat nun ein Patient immer wieder chronische Bauchschmerzen und Koliken, empfehlen wir deshalb dringend, diese Lücken zu kontrollieren. Da der Darm jedoch mobil ist und sich immer wieder bewegt, kann er sich auch wieder aus der Lücke herausbewegen, weshalb diese „innere Hernie“ nicht immer im Computertomogramm ersichtlich ist. Die sicherste Methode, eine offene Lücke nachzuweisen, ist deshalb die diagnostische Laparoskopie (Bauchspiegelung).

In der Regel kann diese mit drei bis vier kleinen Schnitten in circa 30 - 45 Minuten Operationsdauer durchgeführt werden und die Patienten gehen nach einer Übernachtung nach Hause, was sicherlich ein geringeres Risiko darstellt, als wenn sich eine akute Hernie oder Einklemmung manifestiert.

Ein Artikel von Dr. med. Diana Mattiello, Leitende Ärztin Chirurgische Klinik

 
1 Internal hernia after lapa­ro­scopic Roux-en-Y gastric bypass for morbid obesity; Iannelli A1, Facchiano E, Gugen­heim J.; Obes Surg. 2006 Oct;16(10):1265-71.
2 Meta-analysis of internal hernia­tion after gastric bypass surgery; Geub­bels N1, Lijftogt N, Fiocco M, van Leersum NJ, Wouters MW, de Brauw LM; Br J Surg. 2015 Apr;102(5):451-60.
3 Closure of Mesen­teric Defects in Lapa­ro­scopic Gastric Bypass: a Meta-Analysis; Magou­liotis DE1,2, Tzovaras G3, Tasio­poulou VS3, Chris­to­dou­lidis G3, Zach­a­roulis D4; Obes Surg. 2020 May;30(5):1935-1943.
 
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